Über unsere Auffangstation
Die Wildvogelhilfe Rheinland wurde 2007 als zunächst eigenständiger Verein durch Angelika Bornstein gegründet und erhielt im selben Jahr die behördliche Genehmigung.
Damals wie heute arbeitet die Wildvogelhilfe auf Basis von Spenden, Bundesfreiwilligendienst und ehrenamtlichen Engagement. Da die anfallenden Kosten für Futter, Tierarzt, Einstreu etc. hoch sind, freuen wir uns über jede Spende!
Seit 2012 ist die Station Teil des BUND e.V. und seitdem stetig gewachsen.
Während in 2009 282 Tiere aufgenommen wurden, vervielfachte sich die Anzahl der gefiederten Patienten fast um das Vierfache zehn Jahre später. 2019 überstieg die Zahl der aufgenommenen Wildvögel erstmals die 1.000.
Gelegen ist die Station in der Ortschaft Eitorf Bach auf dem Privatgelände der Eheleute Dieter und Angelika Bornstein. Das großzügige Gelände von ca. 3.000 qm bietet Platz für 16 Volieren zwischen 2 qm und 70 qm, welche der Pflege und Auswilderung dienen. Darüber hinaus wurde eine ca. 1000 qm große Wiese für diverse Wasser- und Hühnervögel abgesteckt. Für Wasservögel und Möwen stehen neben einem großen Stall einige kleinere Ställe mit angrenzendem Auslauf zur Verfügung. Ein 25 qm großes Holzhaus dient der stationären Pflege von Kleinvögeln. Dort befinden sich die Inkubatoren für Nestlinge sowie Käfige und eine Voliere für Vögel in medizinischer Behandlung.
Sinn und Zweck der Auffangstation ist es, verletzte, erkrankte oder verwaiste Wildvögel aufzunehmen, sie zu pflegen und anschließend wieder auszuwildern. Die Auswilderung ist erste Priorität! Sind die Vögel wieder gesund oder selbständig, werden sie zunächst in einer Freiflugvoliere untergebracht, wo sie ihre Fitness aufbauen oder etwas über das Leben in der Freiheit lernen. Hier können sie zudem mit Artgenossen ihr Verhalten trainieren. Anschließend werden sie ausgewildert, indem eine Klappe geöffnet wird oder der Vogel dorthin gebracht wird, wo er gefunden wurde.
In einigen Fällen ist eine Auswilderung nicht möglich. Dann wird geprüft, ob dem Vogel ein Leben in Menschenhand und artgerechter Haltung zuzumuten ist. Ist das möglich, wird das Tier den Behörden gemeldet und ggf. beringt. Anschließend wird es einem sachkundigen Vogelhalter überlassen oder verbleibt in der Station. Wir suchen immer wieder ein neues Zuhause für die unterschiedlichsten Vögel, die durch eine Behinderung oder aus anderen Gründen nicht (mehr) tauglich für die freie Wildbahn sind.
Etwa 30% aller Vögel, die zu uns kommen, können wir nicht (mehr) helfen. Denn wird ein Vogel auffällig, ist es meist schon 5 vor 12! Hier sind die Verletzungen oft so groß, die Erkrankungen zu schwer oder die Vogeljungen schon so ausgekühlt. Trotzdem haben wir immer wieder Wunder erlebt! So manches aufgegebene Tier konnte mit intensivem Einsatz gerettet werden. Umso schöner, wenn wir es dann wieder in die Freiheit entlassen können!
Das Team der Wildvogelhilfe Rheinland
Das feste Team der Wildvogelhilfe Mitarbeiter*innen besteht neben der angestellten Stationsleiterin Angelika Bornstein aus aktuell zwei Bundesfreiwilligen. Wir werden unterstützt von ca. 15 Ehrenamtlichen, die stundenweise bei der Tierpflege, im Büro und bei Fahrten aushelfen.
Zudem vergeben wir Plätze für Schulpraktika, Boys & Girlsday, Studienpraktika, ehrenamtliche Arbeitsmaßnahmen bei Vorruhestandsregelungen sowie Berufspraktika über die Diakonie und den Behindertenwerkstätten Eitorf.
Über unsere Patienten
Den Großteil der in Not geratenen Vögel machen die Gartenvögel und Kulturfolger aus. Dabei stechen insbesondere Spatzen, Meisen und Amseln heraus, die aufgrund ihrer Nähe zum Menschen und relativen Abundanz häufiger aufgefunden werden. Auch Mauersegler, Stockenten, Rotkehlchen und Buntspechte finden oft ihren Weg zu uns, wobei insbesondere alle Spechtartigen durch ihre überdurchschnittlich häufigen Fensterschläge auffallen. Immer häufiger erreichen uns auch Arten der Roten Liste NRWs, wie Mehl- und Rauchschwalbe oder Star. Hinzu kommen in unregelmäßigen Abständen national bedrohte Arten wie Feldlerche, Kiebitz oder Wachtelkönig. Die meisten Gründe der EInlieferung in die Station sinddabei menschengemacht.
In den vergangenen Jahren hat die Wildvogelhilfe Rheinland knapp 140 verschiedene Vogelarten aufgenommen. Viele unter ihnen stehen heute auf der Roten Liste. Unter folgendem Link kann eine Zusammenstellung aller von uns aufgenannten Vogelarten, inklusive ihrer Gefährdung, abgerufen werden.
Impressionen
Es ist Fütterzeit, die Kleinen zappeln schon seit geraumer Zeit hinter der Brutkastenscheibe herum. Endlich! Endlich erhebe ich mich und öffne vorsichtig eine Türhälfte. Schon purzeln mir drei muntere Kleine entgegen, fallen in den Futtertopf, springen mir auf die Hand oder fliegen schon mal eine kleine Runde. Die ersten ganz vorne werden gefüttert, dann wende ich mich dem Körbchen zu, wo es sich einige Rotschwänze und Grasmücken gemütlich gemacht haben. Im Moment ist es noch übersichtlich; ich versuche beim Füttern die 7 quirligen Vögelchen im Korb nicht aus den Augen zu verlieren, damit jedes seine Portion bekommt. Kaum angefangen, sitzen auf einmal 5 weitere im Korb. Es wird gedrängelt und geschubst. Ich bemühe mich weiterhin um eine geregelte Fütterung. Schwupp- da huscht ein Spatz dazwischen, begeht Mundraub und verschwindet wieder. Ich nehme ein weiteres Heimchen auf die Pinzette – gar nicht so einfach, weil auf einmal eine Mönchsgrasmücke an der Pinzette herumturnt. Der Versuch, ein Rotschwänzchen zu füttern wird von einem der Spatzen sabotiert: so schnell kann ich gar nicht gucken, verschwindet das Heimchen im gierigen Spatzenschlund. Weitere Fütterungesversuche sind ein Kampf mit den Spätzchen. Ein Heimchen für die Grasmücke und 5 weitere für die Spatzen, die immer wieder dazwischenrennen und klauen. Irgendwann habe ich das Gefühl, dass endlich alle satt sind, sogar die Spatzen sitzen mit geschlossenen Augen und dickem Kropf da und verdauen. Jetzt muss ich nur noch die munteren Kohlmeisen einfangen, die irgendwo zwischen Akten, Bestimmungsbüchern und Krimskrams fröhlich umherturnen. Wenn ich sie habe, schreien sie empört auf und zwicken mich in den Finger. Trotz ihrer Wut ist der Hunger so groß, dass sie schnell eine Portion verschlucken, die ich ihnen vorhalte. Dann gehts ab mit ihnen in die Kiste. Jetzt habe ich für eine Stunde Ruhe, bevor das ganze Theater wieder von vorn losgeht.
Plötzlich bleibt die Volierentür offen, der Deckel der Transportbox hebt sich, die Hand um den Vogelkörper lässt los. Es ist ein besonderer Moment für Pfleger und Vogel. Manchmal braucht es keine Sekunde, bis der Groschen fällt und das kleine Geschöpf seine ersten Flügelschläge in Freiheit genießt. Andere werfen uns einen verwirrten Blick zu und bleiben sicherheitshalber erstmal in der Nähe. Eins nach dem anderen. Ein letzter Blick zurück, dann siegt doch die Neugier. Die Mauersegler schrauben sich in die Höhe, der Specht verschwindet meckernd im angrenzenden Wald, die Gänse nehmen ein erstes ausgelassenes Bad in der Sieg, der Graureiher stolpert vor Aufregung über die eigenen Füße. Eine Zeit lang sehen wir ihnen noch nach, genießen die Freudenschreie von Schwalben in der Höhe oder das stumme Glück eines Rotkehlchens. Die meisten von ihnen werden wir nicht mehr wiedersehen und das ist gut so. Andere kommen uns noch immer in der Station besuchen, um sich die ein oder andere Leckerei abzuholen.
Schon vor dem Aufstehen fällt es mir wieder ein: heute habe ich Tierarzttermin. Am liebsten würde ich mich im Bett verkriechen und abwarten, dass der Tag ohne mich vorbei geht. Es hilft aber alles nichts, wir haben einige schwerverletzte und kranke Vogelpatienten in der Station, die heute der Tierärztin vorgestellt werden müssen.
Da wäre das Amselkind, das so schwer von einer Katze verletzt wurde, dass der Flügel amputiert werden müsste. Und dann? Wer hätte Platz für so ein Krüppelchen? Das runde Vögelchen ist so tapfer und freut sich über sein Insektenfrühstück. Begeistert bettelt es mich an und ich gebe ihm seine letzte Malzeit.
Der junge Buntspecht von gestern Abend muss auch mit. Eine Fensterscheibe hatte seinem rasanten Flug abrupt ein jähes Ende bereitet. Der Unterschnabel ist der Länge nach durchgebrochen. Selbst wenn das zusammenwachsen würde, er könnte nie mehr trommeln oder im Holz nach Insekten hacken.
Ein junges Spätzchen packe ich in die Transportbox. Vermutlich eine Viruserkrankung, sie bewirkt, dass das Vögelchen den Kopf nicht mehr gerade halten kann und ihn schlimm verdreht. Alle verordneten Medikamente und Therapien haben nicht geholfen.
Das Krähenkind, die immer so lieb schaut und freundlich um Futter bettelt, kommt irgendwie nicht auf die Beine. Ihre gleichaltrigen Kameraden laufen schon umher und machen tüchtig Flugübungen. Irgendwas stimmt da nicht.
Die Ringeltaube von gestern liegt fast nur. Beide Augen sind dick zugeschwollen. Ich traue mich da nicht mehr selber ran, die getrockneten Sekrete abzumachen. Vermutlich benötigt sie zudem eine Reihe von Medikamenten.
Mit einem Kloss im Hals fahre ich los. Mittlerweile lässt die Amsel ihren Bettelruf wieder erklingen. Ich wünschte, sie würde stiller und nicht so voller Leben sein. Doch es hilft nichts. Die erste Spritze schickt das Vögelchen in einen tiefen Schlaf, die folgende bereitet seinem jungen Leben ein Ende. So ergeht es auch dem armen Specht, der leider keine Überlebenschance hat. Ich halte mich tapfer und professionell. Schaue aus dem Fenster, wenn der Kloss im Hals zu dick wird.
Die Taube bekommt vorsichtig die Augen gewaschen. Sie ist sehr mager und schwach, hoffentlich schafft sie es. Ich bekomme Augensalbe und Antibiotika für sie mit.
Jetzt noch das Krähenkind. Die Tierärztin kann auch nichts Auffälliges ertasten. Also wird der Vogel unter den Röntgenschirm gelegt. Was wir dann sehen, verschlägt uns die Sprache: der Vogel hat keinen Oberschenkelknochen angelegt. Er wird niemals stehen oder gar laufen können. Das Krähenkind folgt den anderen beiden in den Vogelhimmel.
Bloß raus hier! Ich packe schnell die Taube und meine leeren Transportboxen zusammen, bezahle und mache mich auf die Heimfahrt.
Endlich bin ich auf der Landstraße. Diese wundervollen, einzigartigen Geschöpfe hatten keine Chance. Von vier Vögeln bringe ich nur einen wieder mit heim. Das Schicksal ist ein mieser Verräter, denke ich.
Ich dachte, die lebt nicht mehr, als ich sie das erste Mal sah. Es war ein Brieftauben-Mädchen, das von einem Greifvogel im Nacken schwer verletzt wurde. Die Äuglein waren geschlossen. Ihre Schmerzen müssen wahnsinnig gewesen sein. Ich überlegte, ob sie wohl unfreiwillige Teilnehmerin einer jener Wettkämpfe geworden ist, bei denen Tauben nach Südeuropa gekarrt werden und in Rekordzeit zurück in den heimischen Schlag finden sollen. Manche schaffen es nie zurück, aber das ist einkalkuliert. Wie wenig so ein Taubenleben in den Augen der Menschen wert ist, denke ich traurig. Wir geben ihr Schmerzmittel und versorgen die Wunden. Ich glaube nicht daran, dass sie den nächsten Morgen erlebt. Aber sie tut es und ich taufe sie auf den Namen „Hope“ (Hoffnung). Sie kämpft sich mit der Zeit ins Leben zurück, darf in die Voliere und findet dort ihren Partner Pio. Beide sind mittlerweile vermittelt.
So wie in dieser Anekdote läuft es jedoch längst nicht immer. Jedem Einzelnen geben wir alle Chancen der Welt zur Genesung, doch einem Drittel der Tiere gelingt dies leider nicht. Viel zu oft sind die Verletzungen so schwer und die Qualen so groß, dass nur noch eine Euthanasie dem Tier helfen kann. Manche von ihnen waren noch so klein, dass sie das Fliegen nie lernen durften.
„Im Gemeinschaftsraum der Seniorenresidenz erwartete man uns, aber vor allem die Tiere, bereits sehnsüchtig. Es ging ein Raunen durch die Reihen als die großen Bernsteinaugen des Uhus bemerkt wurden, die auch uns nach all den Jahren noch faszinieren. Gelächter an den Tischen, an denen das schwarze Sermana-Hähnchen spazierte und stolz krähte. Ich stellte reihum die Taube Nino vor und entgegen aller Vorurteile bei Tauben, traf ich nur auf offene Ohren. Wer Angst vor dem großen Uhu hatte, konnte Nino streicheln. Auch die Pfleger sind ganz neugierig und werden lauter Fragen los. Nie mehr werde ich das Lächeln und die leuchtenden Augen von Jung und Alt vergessen, die eine einzige kleine Vogelseele hervorrufen kann.“